ERDE - LAND

Das Leben des Menschen hängt ganz von den Reichtümern ab, die die Erde in sich birgt, und von der Fruchtbarkeit ihres Bodens. Sie bildet den providentiellen Rahmen seines Lebens: ,,Die Himmel gehören Jahve, die Erde aber hat er den Söhnen Adams gegeben" (Ps 115, 16). Deshalb ist es nicht zu verwundern, daß die Erde und ihre materiellen Güter in der göttlichen Offenbarung so oft vorkommen; ihre Verbindung mit dem Menschen hat sie in das Drama der Sünde und des Heiles mit ein bezogen.

AT

1. Das Geheimnis der Ursprünge

1. Die Erde als Schöpfung und Eigentum Gottes. ,,Im Anfang" schuf Gott den Himmel und die Erde (Gn 1, 1). Von dieser Entstehung, die über den Menschen zurückreicht, aber auf ihn hingeordnet ist, entwirft die Bibel zwei aufeinanderfolgende Bilder. Nach dem ersten trennt Gott das Festland von den Wassern und nennt es ,,Erde", worauf er es bevölkert (1, 9 - 25). Nach dem zweiten ist die Erde eine leere, unfruchtbare Wüste (2, 4 - 6), in der Gott einen Garten anlegt, um den Menschen dorthin zu versetzen. Auf jeden Fall hängt die Erde vollkommen von ihm ab; sie ist sein Eigentum: ,,Ihm gehört die Erde" (Ps 24, 1; 89, 12; vgl. Lv 25, 23). Weil Gott der Schöpfer der Erde ist, hat er ein absolutes Recht über sie; er allein verfügt über ihre Güter (Gn 2, 16f), gibt ihr seine Gesetze (Ex 23, 10) und läßt sie Frucht bringen (Ps 65; 104). Er ist ihr Herr (Jb 38, 4 - 7; Is 40, 12. 21 - 26). Sie ist sein Fußschemel (ls 66, 1; Apg 7, 49). Gleich der ganzen Schöpfung schuldet sie ihm lauten Preis (Ps 66, 1 - 4; 96; 98, 4; Dn 3, 74), der von den Lippen des Menschen aufsteigt (Ps 104).

2. Die Erde als Herrschafts- und Werkraum des Menschen. Adam ist in der Tat an die Erde gebunden, er entstammt dieser ,ädäma (Gn 2, 7; 3, 19; vgl. Is 64, 7; Jr 18, 6), doch soll er sich über sie erheben, als Herr, dem Gott sie anvertraut hat; er soll über sie herrschen (1, 28 f). Sie ist gleichsam ein Garten, zu dessen Verwalter er bestellt ist (2, 8. 15; Sir 17, 1 - 4). Daher das enge Band, das zwischen ihnen besteht und das in der Heiligen Schrift so kräftigen Widerhall gefunden hat. Auf der einen Seite prägt der Mensch durch seine Arbeit der Erde seinen Stempel auf. Auf der anderen Seite aber stellt die Erde eine Lebenswirklichkeit dar, die die Seinsverfassung des Menschen mit bestimmt. Sein Denken und seine Ausdrucksweise nimmt unaufhörlich der Erde entnommene Bilder zu Hilfe: ,,Sorget für eine Aussaat ( Saat der Gerechtigkeit, so werdet ihr Gutes ernten . . . warum habt ihr das Böse aufgewühltt" (Os 10, 12f.) Isaias erläutert in seiner Parabel vom Landmann (Is 28, 23 .. .), von den Gesetzen des Ackerbaues ausgehend, die Prüfungen, die für die übernatürliche Fruchtbarkeit notwendig sind, während der Psalmist seine angsterfüllte Seele mit einem Lande vergleicht, das nach Gott dürstet (Ps 63, 2; 143, 6).

3. Der Fluch, der infolge der Sünde auf der Erde liegt. Wenn aber das Band zwischen dem Menschen und der Erde so eng ist, woher kommt dann diese Feindseligkeit zwischen dem Menschen und der widerspenstigen Natur, die alle Geschlechter nacheinander erfahren müssen? Die Erde ist für den Menschen kein Paradies mehr. Eine geheimnisvolle Prüfung ist dazwischen getreten, und die Sünde hat ihre Beziehungen verdorben. Gewiß wird die Erde nach wie vor durch dieselben providentiellen Gesetze gelenkt, die Gott am Anfange aufgestellt hat

(Gn 8, 22), und diese Ordnung der Welt legt für den Schöpfer Zeugnis ab (Röm 1, 19f; Apg 14, 17). Doch hat die Sünde auf die Erde einen wirklichen Fluch heraufbeschworen, der sie ,,Dornen und Disteln" tragen läßt (Gn 3, 17f). Sie ist ein Ort der Prüfung wo der Mensch leidet, bis er schließlich zu jener Scholle zurückkehrt, der er entnommen ist (3, 19; Weish 15, 8). Auf diese Weise tritt die Solidarität des Menschen mit der Erde beständig zutage, und dies im Guten ebenso wie im Bösen.

II. Das Volk Gottes und sein Land

Die mit dem Menschen von Anfang an verbundene Erde behält in der biblischen Offenbarung ihre Aufgabe bei; sie verbleibt auf ihre Art im Mittelpunkt der Heils geschichte.

1. Die Erfahrung der Patriarchen. Zwischen Babylonien dem fremden und gefahrdrohenden Land, aus dem Gott den Abraham herausgeführt hat (Gn II, 31 - 21, 1), und AEgypten dem Land der Versuchung und der Sklaverei, aus dem Gott seine Nachkommenschaft herausführen wird (Ex 13, 9.), fanden die Patriarchen in Kanaan eine Stätte des Aufenthaltes, die für ihre Nachkommenschaft das ,,von Milch und Honig fließende" Land der Verheißung bleiben wird (Ex 3, 8). Dieses Land hat Gott dem Abraham tatsächlich verheißen (Gn 12, 7). Gleich ihm durchziehen die Stammväter Israels dieses Land, bevor es ihr Erbteil wurde (Gn 17, 8). Doch waren sie dort noch Fremdlinge deren Aufenthalt nicht von Dauer war; was sie dazu bewog, war der Bedarf ihrer Herden. Mehr noch als Weideplätze und Brunnen aber fanden sie dort jenen Ort, an dem sich ihnen der lebendige Gott kundtat. Die Eichen (Gn 18), die Brunnen (26, 15ff; vgl. 21, 3f), die Altäre die sie errichten (12, 7), sind Zeugen die die Erinnerung an diese Offenbarungen lebendig erhielten. Einige dieser Orte tragen seinen Namen: Bethel, ,, Haus Gottes" (28, 17ff), Penuel, ,, Angesicht Gottes" (32, 31). Mit der Grotte von Makpela (23) begründet Abraham das Besitztecht auf eine Parzelle dieses Landes der Verheißung. Isaak, Jakob, Joseph wollten hier bestattet werden und machten auf diese Weise Kanaan zu ihrem Vaterland 2. Das Land als Gabe Gottes. Die von Gott wiederholt erneuerte >> Verheißung (Gn 26, 3; 35, 12; Ex 6, 4) hat bei den Hebräern die Hoffnung auf jenes Land lebendig erhalten, in dem sie sich niederlassen sollten. Jahve führte sie aus Agypten, dem fremden Land, heraus (vgl. Gn 46, 3). Bevor sie jedoch in das Land der Verheißung gelangten, bedurften sie noch der Entäußerung, der Einöde der Wüste (Dt 32, 10). Israel als ,,das Volk, das unter allen Völkern, die auf der Erde sind, auserwählt wurde" (Dt 7, 6), sollte außer Gott keinen anderen Besitz haben. Erst nach seiner Läuterung durfte es Kanaan erobern, ,,einen Ort, dem es an nichts mangelt, was man auf Erden besitzen kann" (Ri 18, 10). Bei dieser Eroberung griff Jahve persönlich ein; er ist es, der seinem Volke das Land gibt (Ps 135, 12). Dieses Land, das es mühelos erlangt hat (Jos 24, 13), ist ein unverdientes Geschenk, eine Gnade gleich dem Bund, dem es zu danken war (Gn 17, 8; 35, 12; Ex 6, 4. 8). Israel aber nahm es begeistert in Besitz, Gott hatte es nicht enttäuscht. ,,Es ist ein gutes, vortreffliches Land" (Nm 14, 7; Ri 18, 9), im Gegensatz zur Trockenheit und Eintönigkeit der Wüste. Es ist das wiedergefundene Paradies auf Erden. Deshalb liebte das Volk dieses ,,schöne Land mit seinen Wasserläufen, Quellen und Seen. . . reich an Weizen und Gerste, Weinstöcken, Feigenbäumen und Granatapfelbäumen; reich an OElbäumen, OEl und Honig; ein Land, in dem es keinen Mangel an Brot gibt" (Dt 8, 7ff), von allem Anfang an. Hatte es dieses Land nicht von Gott zum Erbteil erhalten (Dt 15, 4), von jenem Gott, dem allein es dienen wollte (Jos 24, 16ff). Auf diese Weise werden ihm das Land und seine Güter stets eine Erinnerung an die Liebe und Treue Gottes zu seinem Bunde sein. Wer das Land besitzt, besitzt Gott. Denn Jahve ist nicht mehr bloß der Gott der Wüste; Kanaan ist zu seiner Wohnstätte geworden. Mit der Zeit, da die Jahrhunderte vergingen, glaubte man ihn so sehr an das Land Israel gebunden, daß David es nicht für möglich hielt, ihn in fremdem Land, im Lande anderer Götter, anzubeten (1 Sm 26, 59), und daß Naaman ein wenig Erde aus Israel nach Damaskus mitnahm, um Jahve einen Kult erweisen zu können (2 Kg 5, 17).

3. Das Drama Israels in seinem Lande

a) Das Gesetz des Landes. Das Gelobte Land ist Israel zum ,,Eigentum" gegeben

worden (Dt 12, 1; 59, 14), als ein Eigentum, das ihm das Glück bringen sollte. Aber nicht ohne Anstrengung von seiner Seite: Die Arbeit ist ein Gesetz, das für jeden gilt, der die göttlichen Segnungen erlangen will, und die heiligen Bücher kennen keine Nachsicht gegen jene Faulenzer, die ,,zur Zeit der Ernte schlafen" (Spr 10, 5; 12, 11; 24, 30 - 34). Pächter Gottes auf einem Boden, auf dem es ,, Fremdling und Gast bleibt (Lv 25, 23; Ps 119, 19), hat Israel darüber hinaus noch eine Reihe anderer Verpflichtungen. Vor allem muß es Gott seinen Lobpreis seinen Dank seine Abhängigkeit bekunden. Das ist der Sinn der Agrarfeste ( Festfeiern (Ex 23, 14 .. .), die sein kultisches Leben an den Rhythmus der Natur knüpfen: das Fest der Ungesäuerten Brote, das Erntefest, das Fest der Erstlinge (Ex 23, 16), das Lesefest. Ferner wurde die Verwendung der Bodenprodukte bestimmten Regeln unter worfen: Man mußte dem Armen und dem Fremdling die Nachlese überlassen (Dt 14, 29; 24, 19 - 21). Um den Boden nicht zu erschöpfen, mußte man ihn jedes siebte Jahr brachliegen lassen (Ex 23, 11). Dieses gleichzeitig religiöse und soziale Gesetz des Landes hebt die Autorität Gottes hervor, dem der Boden rechtens gehört. Die Beobachtung dieses Gesetzes sollte Israel von den heidnischen. Bauern seiner Umgebung unterscheiden.

b) Versuchung und Sünde. Aber gerade hier war Israel der Prüfung und der Versuchung ausgesetzt. Es hat mit seinem Lande seine Tätigkeit und sein Leben verbunden: Feld, Haus, Weib gehört seine ganze Liebe (Dt 20, 5ff). Zum seßhaften Landmann geworden, hätte es seine Gottesvorstellung nur allzugerne auf die Maße seines Feldes und seines Weingartens eingeengt. Alle alten Kulturen haben eine ähnliche Erfahrung gemacht, die zur Entstehung des Bildes von der Erde als Weib, als Braut, als Mutter geführt hat. Dieses tiefsinnige und wirklichkeitsnahe Bild wird eines Tages in der Heiligen Schrift Heimatrecht erlangen (Os 2, 5; Is 45, 8; 62, 4; Hl 4, 12; 5, 1; 6, 2. 11). Doch war Israel damals noch nicht soweit. Zur Zeit, da es den Kananäern die Gesetze seines Landlebens ablauschte, war es nur allzu bereit,

auch deren religiöse, götzendienerische, materialistische Sitten mit zu übernehmen, und es bestand nur allzuoft die Gefahr, daß Jahve für es zu einem schützenden Baal (Herrn des Landes) und Garanten der Fruchtbarkeit wurde (Ri 2, 11). Deshalb die heftige Reaktion eines Gedeon (6, 25 - 32) und später die der Propheten, die jene geißelten, ,,die Haus an Haus reihen und Feld an Feld fügen" (Is 5, 8). Sie warnen vor den Gefahren des seßhaften Lebens und des Besitzes, worin sie eine Quelle für Diebstahl (vgl. 1 Kg 21, 3 - 19), Raub (Mich 2, 2), Ungerechtigkeiten, Klassenunterschiede, Anhäufung von Reichtum gesehen haben, die Hochmut und Neid erregt (vgl. Jb 24, 2 - 12). Wie aber vermöchte der heilige Gott solche Dinge zu dulden? Ist es nicht offensichtlich, daß Israel, statt in seinem Lande ein Zeichen der Güte Gottes zu sehen und sein Herz zu ihm zu erheben, sich egoistisch an es geklammert hat, genau wie dies alle übrigen Völker der sündigen Menschheit auch taten

c) Warnungen und Strafen. Angesichts dieser Lage erhoben die Propheten Warnrufe, die sich mit den angsterfüllten Rufen des Deuteronomiums decken: ,,Hüte dich, Jahve, deinen Gott zu vergessen" (Dt 6, 12; 8, 11; 11, 16). Denn das Volk, das sich eines wundervollen Landes erfreut (6, 10f), hat vergessen, woher ihm diese Wohltat geworden ist: ,,Weil Jahve deine Väter geliebt hat .. . hat er dich in dieses Land gelangen lassen" (4, 37f; 31, 20). Wozu sonst diese Wanderungen durch fremde Länder, als um endlich das Land zum Geschenk zu erhalten und die Erfahrung der göttlichen Liebe zu machen? ,,Denk an die Wanderungen, die Jahve dich vierzig Jahre lang in der Wüste machen ließ, um dich zu demütigen ... und das Innerste deines Herzens zu erforschen" (8, 2). Gott gehört das Land. Sein Recht ist ein forderndes Recht, ebenso eifersüchtig wie seine Liebe. Der Mensch muß demütig, treu, gehorsam bleiben (5, 32 - 6, 25). Wenn er so handelt, wird er die Segnungen zum Lohne er halten: ,,Gesegnet werden die Früchte deines Bodens sein ... der Wurf deiner Schafe" (28,4), denn ,,Jahve trägt Sorge für dieses Land ... seine Augen ruhen immer fort auf ihm vom Anfang bis zum Ende des Jahres" (11, 12). Dagegen wird Israel Fluch treffen, wenn es Irrwege geht (Dt 28, 33; 0s 4, 3; Jr 4,23 - 28). Ja, es blickt sogar die schlimmste aller Drohungen durch, die des Verlustes des Landes: ,,lhr werdet dem Lande wieder entrissen werden, in das ihr zieht" (Dt 28, 63). Diese Drohung, die die Propheten mit Nachdruck verkünden (Am 5, 27; Os 11, 5; Jr 16, 18), wurde schließlich als hartes göttliches Strafgericht inmitten des Grauens des Krieges und der Verbannung ( Exil zur Wirklichkeit.

4. Zukunftsverheißungen. So schwer aber das Strafgericht auch sein mochte, so wird es von den Propheten doch niemals als absolut und endgültig betrachtet. Es sollte eine zur Läuterung bestimmte Prüfung sein, gleich der von einst in der Wüste. Eine Hoffnung wies über diese hinaus, deren Gegenstand alle Züge der Erfah-rung der Vergangenheit trug: auch hierbei spielte das Land eine grundlegende Rolle. Dieses Land wird zunächst das Land Israels sein, in das das neue Volk von Jahve zurück geführt wird. Dieses geläuterte und völlig im Dienste Gottes stehende (Ez 47, 13 - 48, 35; Zach 14) ,,heiige Land" (Zach 2, 16; 2 Makk 1, 7; Weish 12, 3) wird gleich seiner Hauptstadt Jerusalem als die Braut Jahves bezeichnet werden können (Is 62, 4). Aber nicht nur das Heilige Land, die gesamte Erde wird mit diesem am Heile teilnehmen: Mit Jerusalem als deren religiö sem Mittelpunkt (Is 2, 2ff; 66, 18 - 21; Ps 47, 8ff) wird es zum ,,Lande der Wonnen" (Mal 2, 12) einer neuen Menschheit werden, wobei sich die Völker ( Heiden Israel anschließen werden, um die ursprüngliche Einheit wiederzufinden. Ja noch mehr: Nur die Urzeit allein vermag eine adäquate Vorstellung von dieser verklärten Erde zu vermitteln. Der ,,neue Himmel und die neue Erde", die Gott dann erschaffen wird (Is 65, 17), wird der Bleibe der Menschen die Züge des ursprünglichen Paradieses mit seiner Fruchtbarkeit und seinen wundervollen Lebensbedingungen verleihen (Am 9, 13; 0s 2, 23f; Is 11, 6 - 9; Jr 23, 3; Ez 47, 1f; Joel 4, 18; Zach 14, 6 - 11). In dieser Perspektive nimmt also die Inbesitznahme des Landes eine eschatologische Bedeutung an. Diese wird durch den UEbergang von der kollektiven auf die indi- viduelle Ebene noch stärker herausgehoben, wie Is 57, 13; 6o, 21 andeutet; ,,das Land" bezeichnet dabei das dem Abraham und seinen Nachkommen verheißene Land, zu gleich aber eine noch erhabenere, wenn auch noch undeutliche Wirklichkeit. Sie bildet den Anteil jenes Gerechten, der sein ganzes Vertrauen auf Gott setzt (Ps 25, 53; 37, 3). Nun, da sich Israel von seinen irdischen Sorgen allmählich zu reinerem, geistigem Sehnen erhoben hat, ist es reif geworden, die Botschaft Jesu zu vernehmen: ,,Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land besitzen" (Mt 5, 4).

NT

1. Jesus und die Erde

Jesus nimmt an der Herrschaft Gottes über die Erde teil (Kol 1, 15f; Eph 4, 10); nichts ist ohne ihn gemacht worden (Jo 1, 3). Ihm ,,ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden" (Mt 28, 18). Und doch hängt er als Mensch unter Menschen mit allen Fibern seines Seins am Lande Israel.

1. Er ist gekommen, um den Menschen eine allumfassende Heilsbotschaft zu verkünden; doch tut er dies in der Sprache eines bestimmten Landes und einer bestimmten Kultur. Die Landschaft und das Brauchtum Palästinas haben der Vorstellungswelt dessen, der sie erschaffen, gewissermaßen Form und Gestalt gegeben. Deshalb greift er in seinen Gleichnissen häufig auf Bilder zurück, die sie widerspiegeln: auf das Bild vom Sämann und von der Ernte vom Weinstock und vom Feigenbaum, vom Unkraut und vom Senfkorn, vom Hirten und von den Schafen, vom Fischfang auf dem See ... Ganz abgesehen von den Unterweisungen, in denen er an die Gegebenheiten des Lebens anknüpft: ,,Betrachtet die Vögel des Himmels ... die Lilien" (Mt 6, 26ff), die abgerissenen AEhren (Mt 12, 1 - 8 par.), den unfruchtbaren Feigenbaum (Mt 21, 19).

2. UEber diese Bilder hinaus aber erteilt Jesus eine Lehre über die Welt hienieden. Das Verlangen nach dem Besitz des Landes wird bei ihm zum Verlangen, in den Besitz der geistigen Güter zu gelangen (Mt 5, 4). Das irdische Reich macht jener Wirklichkeit Platz, deren Vorausdarstellung es gewesen war, dem Himmelreich

( Reich (Mt 5, 3). Fortan gilt es, um Christi und des Evangeliums willen seinen Feldern zu entsagen (Mk 10, 29f); damit sind die rein irdischen Perspektiven der prophetischen Verheißungen endgültig überboten. Nicht, daß die Dinge dieser Erde, auf der wir leben, in sich verurteilt würden. Doch werden sie auf den ihnen zukommenden Platz gerückt, der im Vergleich zur Erwartung des Reiches Gottes von zweitrangiger Bedeutung ist (Mt 6, 33). Geschieht dies, so ist die rechte Ordnung hergestellt, und der Wille Gottes geschieht ,,wie im Himmel, also auch auf Erden" (Mt 6, 10). Auf diese paradoxe Weise gibt Jesus der Erde der Menschen, dem Werke der Hände Gottes, dem Zeichen seiner Gegenwart und seiner Liebe, ihren Heiligwert zurück. Während die Menschen sich ihrer bedient haben und sich ihrer bedienen, um sich von Gott abzuwenden und um ihr Talent darin zu vergraben (Mt 25, 18), nimmt er sich ihrer mit Liebe an (vgl. Kol 1, 20) und macht sie fähig, Trägerin seines Geheimnisses zu sein: er geht so weit, daß er Brot nimmt, eine Frucht der Erde (Ps 104, 14), um seinen Leib hienieden unter einem Zeichen zu vergegenwärtigen.

3. Er ist gekommen, um Feuer auf die Erde zu bringen (Lk 12, 49). Um dieses Feuer auszubreiten, hat er aus der Masse der Landbewohner Galiläas und Transjordaniens seine ersten Jünger berufen; sie sind das Salz der Erde (Mt 5, 13). Damit war das Evangelium mit einem bestimmten Winkel unseres Weltalls fest verwachsen, mit dem selben Heiligen Land, das Gott Israel geschenkt hatte. Ebendort, in der Hauptstadt Jerusalem ließ er auch sein Kreuz aufpflanzen, um die gesamte Erde zu umfangen. Von da aus wird er, ,,von der Erde erhöht, alle Menschen an sich ziehen" (Jo 12, 32). Auf diese Weise wird das Heilige Land für immer jener geographische Mittelpunkt bleiben, von dem das Heil ausgegangen ist, um die gesamte Menschheit zu erfassen.

II. Das neue Volk und das neue Land

1.Nun hat der seit der Urzeit vorgezeichnete allumfassende Ratschluß des Heiles seine Erfüllung gefunden. Vom Lande Israel wird sich das Evangelium nach dem von Jesus angegebenen Plan auf die gesamte Erde ausbreiten: ,,Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem, in ganz Judäa und Samaria und bis an die Grenzen der Erde (Apg 1, 8; vgl. Mt 28, 16ff).

2. Damit vollzieht Jesus nicht nur den UEbergang von dem in seine Grenzen eingeschlossenen Lande Israel zum gesamten All, sondern auch von der materiellen Welt zu jener anderen, deren Vorausdarstellung es gewesen war: zur Kirche und zum Himmelreich. Das Volk des Alten Testaments hatte an die Verheißungen geglaubt, um in den Besitz des Landes der Ruhe zu gelangen. Nun aber handelte es sich dabei nur um eine Vorausdarstellung ( Typos des kommenden Heiles. Wir sind es, die nunmehr durch den Glauben in das wahre Land der Ruhe eingehen (Hebr 4, 9 in jene himmlische Wohnstätte, in der Jesus seit seiner Auferstehung weilt und von der wir in seiner Kirche einen Vor geschmack haben.

3. Aus dieser neuen Perspektive wird der Sinn deutlich, der sich fortan mlt der menschlichen Arbeit und mit der Liturgie verbindet. Im Gefolge Christi ist das neue Volk der Hoffnung nach bereits in jenes Land der Ruhe eingegangen, das ihm bestimmt war. Das bringt eine Umwandlung seiner irdischen Tätigkeit mit sich. Der Mensch soll nach wie vor,,die Erde beherrschen", er läuft nach wie vor Gefahr, in jenem Glück aufzugehen, das sie ihm bietet (Lk 12, 16 - 34). Doch muß er, die Augen fest auf den in den Himmel aufgefahrenen Christus geheftet, ,,sein Sinnen fortan auf das Himmlische, nicht mehr auf das Irdische richten" (Kol 3, 2). Nicht aus Verachtung, sondern ,,um sie zu gebrauchen, als gebrauchte er sie nicht" (1 Kor 7, 31). Der auf den Himmel gerichtete Blick des Glaubenden leugnet die Erde nicht, sondern gibt ihr erst ihre Erfüllung, indem er ihr ihren wahren Sinn zuweist; das liturgische Gebet aber verleiht der Erde, allem, was sie enthält, allem, was sie zu erarbeiten gestattet, eine Stimme.

Dadurch hebt der Mensch die Erde ge wissermaßen empor und läßt sie zu Gott emporsteigen. Denn das neue Volk hat seine irdischen Wurzeln nicht verloren; ganz im Gegenteil: es ,,herrscht auf der Erde" (Apk 5, 10), und während es hienieden seine Pilgerfahrt vollendet, kann es dem Seufzen der materiellen Schöpfung, die auch ihrerseits des Heiles harrt (Röm 8, 22), sein Ohr nicht verschließen.

III. Die Erde in der christlichen Hoffnung

Die Erde ist in der Tat mit der Geschichte des neuen Volkes verknüpft, so wie sie einst in das Drama der sündigen Welt miteinbezogen ward. Auch sie ,,harrt" ,,der Offenbarung der Kinder Gottes . .. in der Hoffnung, gleichfalls von der Knechtschaft der Verderbnis befreit und in die Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes einbezogen zu werden" (Röm 8, 19ff). Von Anfang an mit dem Menschen solidarisch, bleibt sie dies bis zuletzt. Auch sie ist gleich ihm Gegenstand der Erlösung wenn auch in geheimnisvoller Weise. Denn die Welt, so wie sie jetzt ist, ,,wird vergehen" (Mt 24, 35 par.), ,,sie wird mitsamt den Werken, die sie umschließt, vergehen" (2 Petr 3, 10). Dies aber wird nur geschehen, damit die ,,neue Erde" an ihre Stelle treten könne (Apk 21, 1), ,,die wir seiner Verheißung gemäß erwarten und wo die Gerechtigkeit zu Hause sein wird" (2 Petr 3, 13). Erbe